1994 entschied sich Nintendo für die traditionellen Steckmodule bei seiner kommenden Konsole, dem späteren Nintendo 64, obwohl die CD-ROM als zukunftsweisendes Medium galt. Dies war aufgrund ihrer hohen Speicherkapazität und den geringen Produktionskosten beliebt bei den Konkurrenten Sega und Sony. Die CD-ROM konnte 80-mal mehr Speicherplatz als die frühen N64-Module bieten und war in der Herstellung deutlich günstiger. Dennoch wählte Nintendo die Cartridge-Option, eine Entscheidung, die von Entwicklern und Spielern unterschiedlich aufgenommen wurde. Dieser Artikel analysiert die Gründe hinter Nintendos Entscheidung und deren Auswirkungen.
Die Ausgangslage
Die damalige Situation sah Nintendo mit seinem Super NES im harten Wettbewerb, während die Konkurrenz bereits neue Konsolen ankündigte. Nintendo kooperierte mit Silicon Graphics, Inc. (SGI) am Project Reality, das später als Nintendo 64 bekannt wurde, um eine technologisch fortgeschrittene Konsole zu entwickeln.
Nicht nur Sega, der altbekannte Rivale, stand als Herausforderer für Nintendo bereit. Auch Atari wollte mit dem Jaguar an frühere Erfolge anknüpfen. Hinzu kam das 3DO, das zwischen 1993 und 1994 weltweit eingeführt wurde. Eine weitere neue Konkurrenz war Sony, die mit ihrer PlayStation in den Markt einstiegen. Anfangs hatte Sony in Kooperation mit Nintendo an einem CD-Laufwerk für das Super Nintendo gearbeitet – bekannt unter dem Namen Nintendo PlayStation. Doch Nintendo beendete dieses Projekt abrupt und auf Weise, die viel Kritik erntete, wodurch das SNES-CD niemals veröffentlicht wurde. Sony nutzte daraufhin das angeeignete Wissen, um seine eigene Spielkonsole zu entwickeln und zu vermarkten.

Als die Konkurrenz ihre 32-Bit-Konsolen Ende 1994 in Japan veröffentlichte, hatte Nintendo nur seinen 16-Bit-SNES vorzuweisen. Im Club Nintendo Magazin warb der Videospielhersteller aber mit der “32-Bit-Qualität” des neuen Top-Titels Donkey Kong Country (Quelle: Club Nintendo Memories)
Obwohl Nintendo wieder einmal hinter seinem Hauptkonkurrenten Sega in den Markt starten würde – Sega bereits Ende 1994, während Nintendo den Herbst 1995 anvisierte – nutzte Sega diesen früheren Start, um Nintendos Dominanz in Nordamerika und Europa zu durchbrechen. Diesmal plante Nintendo jedoch, eine ganze Konsolengeneration zu überspringen und statt der 32-Bit-Technik Segas direkt auf eine 64-Bit-Architektur zu setzen.
Die neue Konsole von Nintendo, die stärkste auf dem Markt, würde trotz ihrer fortschrittlichen 64-Bit-Technologie weiterhin auf die traditionellen Cartridges setzen. Diese Entscheidung führte zu Einschränkungen hinsichtlich der Speicherkapazität und verursachte höhere Spielekosten aufgrund der aufwendigeren Herstellung der Module. Zwar plante Nintendo, später eine Hardware-Erweiterung einzuführen (bekannt als N64DD, welche jedoch nur in Japan veröffentlicht wurde und dort scheiterte), doch zu Beginn war die Konsole ausschließlich auf Cartridges angewiesen. Was waren also die Beweggründe hinter Nintendos Entscheidung, diesen Weg zu gehen?
Nintendo entschied sich für Cartridges: Die Gründe im Überblick
Drei wesentliche Vorteile sprachen für die Wahl von Modulen statt CDs, die letztendlich für Nintendo den Ausschlag gaben. Schauen wir sie uns im Detail an.
1. Schutz vor Piraterie durch Module
Der primäre Vorteil aus der Perspektive Nintendos war der Schutz vor Software-Piraterie. Im Gegensatz zu den leicht kopierbaren CD-ROMs waren die speziell gefertigten Module von Nintendo nur schwer zu kopieren. Dies sollte verhindern, dass Einnahmen durch Raubkopien verloren gehen, denn keine Firma sieht gerne schwindende Gewinne.
2. Die Schnelligkeit: Keine Ladezeiten
Technisch übertrafen die Module die CD-ROMs deutlich in einem entscheidenden Aspekt: der Zugriffsgeschwindigkeit. Module ermöglichten ein Vielfaches der Geschwindigkeit von CDs, was bedeutete, dass Nutzer kaum Ladezeiten erlebten. Im Gegensatz dazu waren Spieler von CD-basierten Spielen oft gezwungen, Ladebildschirme zu ertragen. Dieser Vorteil der traditionellen Spielmodule war nicht zu unterschätzen.
Some games (like the hugely popular “Myst”) are for adults and emphasize thought over speed. Ultra 64 games, however, are being developed for youngsters, and Nintendo’s order is to step on it.
New York Times, 31. März 1995
“Going out of the gate, the demographics are going to be skewed to boys from 7 to 14 or 15,” Mr. Lincoln said. Boys play action and sports games, which require instantaneous reaction. “Access time of CD-ROM just wasn’t up to speed,” he said.
New York Times, 31. März 1995
Die extrem schnellen Ladezeiten waren für Nintendo und seine primär jungen Zielgruppen, die Action- und Sportspiele bevorzugen, von zentraler Bedeutung. Häufige Unterbrechungen hätten den Spielfluss gestört und so den Spielspaß gemindert. Zudem boten die Module einen weiteren Vorteil: ihre Robustheit. Sie waren weniger anfällig für Schäden, selbst wenn sie im Kinderzimmer herumgeworfen wurden – im Gegensatz zu den empfindlicheren CDs.

Die Betonung auf Geschwindigkeit könnte ein Vermächtnis aus Nintendos früheren Tagen als Hersteller von Spielkarten und Spielzeugen sein. Spielzeuge benötigen keine Ladezeiten und sind darauf ausgelegt, sofortigen Spaß zu bieten. Diese Philosophie des sofortigen Spielens, bekannt als Plug and Play, prägt auch heute noch Nintendos Ansatz, wie bei der Nintendo Switch, wo umfangreiche Day-One-Patches, die vor dem Spielen heruntergeladen werden müssen, nicht üblich sind.

3. Der Konsolenpreis: Günstiger als die Konkurrenz
Kinder und Jugendliche sind stark von der finanziellen Bereitschaft ihrer Eltern abhängig, wenn es um größere Anschaffungen geht. Ein Einführungspreis von 400 Dollar oder 800 DM, wie er für Segas Saturn und Sonys PlayStation erwartet wurde, könnte die Kaufbereitschaft deutlich mindern. Daher musste Nintendos Konsole zu einem niedrigeren Preis angeboten werden.
Aus diesem Grund setzte Nintendo einen Startpreis von 250 Dollar bzw. 500 DM fest, den die in Zusammenarbeit mit Silicon Graphics entwickelte Konsole nicht überschreiten sollte. Wie konnte es möglich sein, eine technisch überlegene Konsole anzubieten, die dennoch günstiger als die der Konkurrenz war? Der Schlüssel lag in der Entscheidung für Cartridges anstelle von CD-ROMs, da der Einbau eines CD-Laufwerks die Herstellungskosten der Konsole erheblich erhöht hätte.
Laut Peter Main von Nintendo of America konnten durch die Wahl der Cartridge-Technologie mindestens 150 Dollar pro Konsole eingespart werden, während andere Quellen von Einsparungen von mindestens 100 Dollar sprechen. Es wird vermutet, dass der 64-Bit-Prozessor in Nintendos Konsole teurer war als die 32-Bit-Prozessoren von Sony und Sega. Unter der Voraussetzung, den Verkaufspreis niedrig zu halten, ermöglichte die Entscheidung für Cartridges die Verwendung des 64-Bit-Prozessors, was den Sprung von 16 zu 64 Bit direkt massenmarkttauglich machte. Insbesondere für die junge Zielgruppe war es daher sinnvoll, den Preis so niedrig wie möglich zu halten. Ein N64 mit CD-Laufwerk hätte vermutlich zu einem Startpreis von etwa 400 Dollar oder 800 DM geführt, was inflationsbereinigt etwa 575 Euro im Jahr 2019 entspricht.

Durch die Verwendung von Cartridges konnte Nintendo nicht nur kostengünstiger produzieren als mit einer hypothetischen CD-basierten Konsole, sondern war auch preiswerter als die Konkurrenzmodelle. Nintendo hatte bereits positive Erfahrungen mit dieser Strategie gemacht, wie beim GameBoy, der statt eines Farbbildschirms einen monochromen Bildschirm nutzte, wodurch nicht nur Batterien gespart, sondern der Handheld auch zu einem niedrigeren Preis als die Konkurrenzmodelle von Sega und Atari angeboten werden konnte. Der niedrige Preis war ein entscheidender Faktor für den Erfolg des GameBoy. Ähnlich verfuhr Nintendo nun bei der Entscheidung für Module.
Jedoch hatten die Module auch einen finanziellen Nachteil. Während die Herstellung eines Moduls trotz geringeren Speicherplatzes über 20 Dollar kostete, waren die Produktionskosten einer CD unter zwei Dollar. Daraus resultierten höhere Preise für N64-Spiele im Vergleich zu denen auf CD-basierenden Konsolen. Neue N64-Spiele kosteten zwischen 70 und 75 Dollar, während neue Top-Spiele für die PlayStation etwa 50 Dollar kosteten.

Ein niedrigerer Preis für die Konsole erhöht den Kaufanreiz. Angenommen, Nintendo hat bei der Konsole einen Preisvorteil von 150 Dollar, aber einen Nachteil von 25 Dollar pro Top-Spiel, dann würde die Konkurrenz erst beim Kauf des siebten Spiels einen finanziellen Vorteil erlangen.
Obwohl Nintendos Spiele teurer sind als die der Konkurrenz, ist die Konsole selbst deutlich günstiger. Diese Überlegungen könnten 1994 in Nintendos Planungsbüros in Kyoto, dem Hauptsitz des Unternehmens, eine Rolle gespielt haben, als die Entscheidung gegen die CD-ROM und für die Module fiel. Der Markteintritt von Segas Saturn und Sonys PlayStation schien diese Kalkulation zu bestätigen.
Die Konkurrenz legt vor – Nintendos Strategie scheint aufzugehen
But the fancy new graphics and sound carry a hefty price tag. Three of the five rivals — the Sony Corporation, the 3DO Company and Sega Enterprises Ltd. — will offer machines to play CD-ROM games to be priced at about $400, twice that of the machines they may replace. The other two — Nintendo of America and the Atari Corporation — are producing machines that retain the familiar cartridge format and sell for considerably less.
New York Times, 08. Mai 1995
Gegen Ende 1994 kamen der Sega Saturn und die Sony PlayStation in Japan auf den Markt. Beim Auftakt des Rennens um die Vorherrschaft im Next-Gen-Segment gab es bei den Preisen keine Überraschungen: Sega setzte den Saturn für 44.800 Yen (umgerechnet etwa 469 US-Dollar) an und erzielte, wie erwartet, eine größere Nachfrage als Sony mit der PlayStation, die mit einem Einführungspreis von 39.800 Yen (419 Dollar) leicht günstiger war.

Obwohl Nintendo ursprünglich geplant hatte, seine neue Konsole im Herbst 1995 einzuführen, musste das Unternehmen im Mai zugeben, dass das Gerät erst im Frühjahr 1996 verfügbar sein würde. Trotz dieser Verzögerung befand sich Nintendo laut einigen Analysten in einer beneidenswerten Position.
“Nintendo is almost in the catbird seat because they can hold down the market by not being in it,” said William Bluestein, an analyst with Forrester Research in Cambridge, Mass. He said he continued to have doubts that mass-market consumers would spend $400 on a dedicated video game player. “The price is going to double,” compared with current machines, he said. “This is essentially a test by the industry of a new price point.”
New York Times, 08. Mai 1995
Mit der Aussicht auf ein preisgünstigeres und leistungsstärkeres Videospielsystem (250 Dollar/500 DM im Vergleich zu 400 Dollar/800 DM) und mit einer 64-Bit-Architektur statt der 32-Bit der Konkurrenz, würden viele Kunden trotz der Verzögerung auf den N64 warten.
Blicken wir nun auf eine wichtige Gruppe innerhalb dieser Dynamik: die Spieleentwickler.
Die Auswirkungen auf die Entwicklerstudios
Viele Drittanbieter-Entwickler standen Nintendos erster 3D-Konsole anfangs skeptisch gegenüber und nur wenige zeigten Bereitschaft, Spiele dafür zu entwickeln. Dies lag hauptsächlich an zwei entscheidenden Nachteilen, die mit der Entscheidung für Cartridges statt CDs verbunden waren.
Speicherkapazität – Die CD-ROM übertrifft um Längen:
PlayStation und Sega Saturn boten den Entwicklern standardmäßig 650 MB Speicherplatz. Dieser umfangreiche Speicher galt als einer der Gründe, warum die CD-ROM als das Medium der Zukunft angesehen wurde. Im Vergleich dazu boten die Cartridges nur einen Bruchteil dieses Speichers, was einen enormen Unterschied zu den wenigen Megabytes der SNES-Modul-Ära darstellte.
Diese deutliche Steigerung der verfügbaren Speicherkapazität eröffnete den Entwicklern ganz neue Möglichkeiten, die sie auch intensiv nutzten. Dazu zählten vor allem:
- Erheblich verbesserter Klang und mehr Raum für Musik im Vergleich zu Cartridges
- Die Möglichkeit, Full Motion Videos zu integrieren
- Umfangreiche Sprachausgabe
Diese erweiterten technischen Möglichkeiten führten dazu, dass Spiele auf CD-basierten Systemen ein deutlich reichhaltigeres Multimedia-Erlebnis bieten konnten, was auf den Modul-basierten Systemen so nicht möglich war.
Nintendo 64: Anfangs nur 8 MB Speicher
Zum Start bot Nintendo den Drittherstellern lediglich 8 MB Speicher auf seinen Cartridges an, was im Vergleich zu den 650 MB einer CD-ROM recht bescheiden erscheint. Obwohl Nintendo betonte, dass die Daten auf den Modulen effektiver komprimiert werden könnten, blieb der verfügbare Speicher dennoch weit hinter dem der CD-ROMs zurück.
Die Möglichkeit für aufwendige Sprachausgaben, Full Motion Videos und qualitativ hochwertigen CD-Sound war auf den Modulen nicht gegeben. Nintendo argumentierte jedoch, dass solche Features nicht zwingend notwendig seien, um qualitativ hochwertige Spiele zu entwickeln, da viele Entwickler die 650 MB einer CD-ROM nicht vollständig ausnutzten und die grundlegenden Spielmechaniken ohnehin nur wenige Megabyte beanspruchten.
Diese Sichtweise war nicht völlig unbegründet. Nintendo selbst brachte zum Konsolenstart das hochgelobte Spiel Super Mario 64 heraus. Acclaim gelang es ebenfalls, das von der Kritik gefeierte Spiel Turok auf einem 8-MB-Modul unterzubringen.
Kurze Zeit später bot Nintendo auch größere Module an, diese waren jedoch mit höheren Kosten verbunden.
Produktionskosten: Module sind teurer und zeitaufwändiger
Eine Herausforderung stellte der begrenzte Speicherplatz der Module dar, doch problematischer waren die hohen Herstellungskosten im Vergleich zu CDs. Wie bereits erwähnt, kostete die Produktion einer CD-ROM weniger als 2 Dollar, während Module trotz geringerem Speicherplatz über 20 Dollar pro Stück in der Herstellung kosteten. Dies offenbart die kritische Schwäche in Nintendos Entscheidung für Cartridges.
Sony bot Drittherstellern PlayStation-Spiele zum Stückpreis von 10 Dollar an, einschließlich der Kosten für CD, Anleitung, Verpackung und Lizenzgebühren – ein sehr verlockendes Angebot (Quelle: Kent – The Ultimate History of Videogames). Sony bemühte sich zudem aktiv um die Unterstützung von Drittanbietern.
Im Gegensatz dazu mussten Dritthersteller mindestens 40 Dollar zahlen, um ein N64-Spiel bei Nintendo in Auftrag zu geben. Die höheren Produktionskosten des Speichermediums und die zusätzlichen Lizenzgebühren, die Nintendo verlangte, trugen dazu bei. Hinzu kam Nintendos damalige Haltung gegenüber Drittherstellern, die oft als arrogant wahrgenommen wurde, obwohl Nintendo längst nicht mehr die marktbeherrschende Stellung innehatte. Die Lizenzbedingungen waren ebenfalls streng und kostspielig.
Ganz konkret ergab sich aus den zwei Angeboten für Dritthersteller folgendes:
- Die Produktion eines PlayStation-Spiels ist risikoärmer. Wenn PS-Spiele nicht verkauft werden und übrig bleiben, ist das aus finanzieller Sicht weniger dramatisch als auf den teuren N64-Modulen sitzenzubleiben.
- Es wird bei der gleichen Anzahl bestellter Spiele bei Sony nur ein Viertel des Kapitals gebunden und benötigt. Wer also hypothetisch 50.000 Spiele ordert, überweist 500.000 Dollar an Sony. Die gleiche Stückzahl kostet bei Nintendo 2 Millionen Dollar. Vor allem für kleinere Studios ist das ausschlaggebend.
- Die Gewinnmarge bei PS-Spielen ist höher. Erscheint ein Spiel bei 10 Dollar Produktionskosten inklusive allem für 50 Dollar, müsste es um die Spanne zu wahren, auf dem N64 für 80 Dollar/160 DM in die Läden kommen. Die Kosten von 40 Dollar 1:1 weitergegeben, ist ein solcher Preis für viele Konsumenten zu hoch. Daher muss der Preis niedriger angesetzt werden, was jedoch den eigenen Gewinn schmälert.
Sony konnte Spiele sechsfach schneller liefern
Die Produktionszeit für CD-ROMs war deutlich kürzer als für Module. Nintendo stellte alle Module auf Bestellung in Japan her, was zu einer Lieferzeit von etwa drei Monaten führte. Dies erhöhte das Risiko für die Produktion erheblich, da die Nachfrage im Voraus genau eingeschätzt werden musste. Eine Überproduktion konnte zu erheblichen Verlusten führen, falls die tatsächliche Nachfrage geringer ausfiel. Und wenn die Nachfrage die Erwartungen übertraf, konnte es passieren, dass erst neue Lieferungen verfügbar waren, wenn der anfängliche Hype bereits nachgelassen hatte.
Im Gegensatz dazu mussten Dritthersteller bei Sony nur maximal vierzehn Tage warten, um ihre Spiele auf CD zu erhalten. Dies ermöglichte es den Third-Party-Entwicklern, ihre Produktion vorsichtig zu planen und bei Bedarf schnell auf ein starkes Kaufinteresse zu reagieren. Ein gutes Beispiel für diesen Vorteil bietet das Spiel “RTL Skispringen 2002”, das flexibel nachproduziert werden konnte, um der Nachfrage gerecht zu werden.
Entwickler bevorzugten deutlich Sonys Konsole
Obwohl anfangs einige Spiele nicht exklusiv für die PlayStation entwickelt wurden, erschienen sie dennoch auf dieser Plattform. Dies ermöglichte es Sony, schnell eine beeindruckende Spielebibliothek aufzubauen, die viele Spitzenreiter beinhaltete, die nicht direkt von Sony stammten. Im Gegensatz dazu zögerten viele Entwickler bei Nintendo und warteten erst ab, wie sich die Verkaufszahlen der Konsole entwickeln würden.
Beispielsweise wurde “Rayman” (1995), ursprünglich als exklusiver Titel für den Atari Jaguar angekündigt, auch für die PlayStation veröffentlicht. “Ridge Racer” (1994), ein Launch-Titel der PlayStation in Japan und eine Arcade-Portierung von Namco, sowie das kritisch gefeierte “Tekken” (1995) folgten dem gleichen Muster. “Tomb Raider” (1996) war zunächst zeitexklusiv für den Saturn verfügbar, wurde aber von Anfang an auch für die PlayStation entwickelt.
Als der Saturn sich nicht wie erhofft durchsetzen konnte, erschienen viele bedeutende Produktionen exklusiv für die PlayStation, unter anderem weil sie das attraktivere Angebot und das größere Speichermedium bot. Capcom veröffentlichte die ersten und den dritten Teil von “Resident Evil” exklusiv für die PS, Konami brachte “Metal Gear Solid” heraus und SquareSoft lancierte “Final Fantasy VII” und dessen Nachfolger auf der PlayStation.
Andere erfolgreiche Titel wie “Tony Hawk” oder “Resident Evil 2” erreichten den Nintendo 64 erst nach ihrem großen Erfolg. Ein Kommentator zog 1997 einen Vergleich zwischen den beiden Systemen, indem er sagte: Die PlayStation sei wie Microsofts Windows, das fast alle Spiele zuerst erhält, während Nintendo wie ein Mac sei, auf dem Spiele später erscheinen.
Die überlegene Position der PlayStation gegenüber dem N64 war auch eine direkte Folge davon, dass Sony eine Schlüsselstrategie Nintendos erfolgreich untergraben hatte.
Was bei den Spielern ankam: Kein Preisvorteil, teurere und weniger Spiele
Nachdem wir Nintendos Erwartungen und die Entscheidung für Cartridges sowie deren Auswirkungen auf die Entwickler betrachtet haben, wenden wir uns nun dem an, was die Spielerinnen und Spieler tatsächlich erfahren haben. Obwohl auf Nintendos Konsole keine Ladezeiten bestanden – ein klarer Vorteil gegenüber der Konkurrenz –, erfüllten sich die Haupterwartungen nicht.
Sony greift an: Das N64 ist keine preiswertere Konsole als die der Konkurrenz
Die Nutzung eines CD-Laufwerks war kostenintensiv, daher rechnete Nintendo damit, einen Preisvorteil gegenüber den Mitbewerbern zu erzielen. Diese Erwartung hielt der Realität jedoch nicht stand, als Sony, der neue Herausforderer im Markt, eine aggressive Preisstrategie einführte, die Nintendos geplante Preisführerschaft effektiv unterminierte.
Sony tritt erstmalig auf: Die E3 1995
Zum Startzeitpunkt in Japan hatten sowohl Sony als auch Sega ihre Konsolen zu Preisen über 400 Dollar auf den Markt gebracht. Für die bevorstehenden Markteinführungen des Saturn und der PlayStation im Herbst 1995 in Nordamerika und Europa rechneten Analysten mit ähnlichen Preisen.
Die Premiere der Videospielmesse E3 im Juni 1995 bot die Bühne für einen offenen Wettstreit zwischen Sega und Sony, gerade einen Monat nachdem Nintendo die Verschiebung des N64 bekannt gegeben hatte. Beide Firmen sollten ihre neuen Konsolen ausführlich vorstellen.
Sega, vertreten durch Tom Kalinske, den Amerika-Chef des Unternehmens, eröffnete die Präsentationen. Er betonte die Vorteile des Saturn und enthüllte, dass die ersten Konsolen bereits ausgeliefert worden und in ausgewählten Geschäften sofort verfügbar seien. Der Preis für die Konsole war auf 399 Dollar festgesetzt.
Sony folgte danach mit einer Präsentation von Olaf Olafsson, der Einzelheiten zur PlayStation darlegte. Anschließend betrat Steve Race kurz die Bühne, verkündete den Preis von 299 Dollar und verließ schnell wieder die Bühne, unter dem Jubel des Publikums. Dieser Preis lag 100 Dollar unter dem des Saturn, was in Deutschland zu einem Startpreis der PlayStation von 599 DM führte, während der Saturn für 799 DM angeboten wurde.
Nicht nur für Sega dürfte der überraschend günstige Preis der PlayStation ärgerlich gewesen sein. Auch Nintendo hatte nun ein Problem: Der ursprünglich geplante Startpreis von 249 Dollar für das N64 lag nur noch 50 Dollar unter dem der PlayStation. Dieser geschrumpfte Preisvorteil senkte sicher die Bereitschaft einiger Kunden, auf Nintendos Konsole zu warten – zumal deren Release erneut verschoben wurde. Der noch unveröffentlichte N64 bot somit nur noch theoretisch einen Preisvorteil, und dieser wäre durch die höheren Kosten für die Module bereits nach dem Kauf der ersten zwei Spiele ausgeglichen.

E3 1996: Sony schlägt erneut zu
Ein Jahr später, am selben Ort, war es endlich soweit: Nintendo stellte seine lang erwartete Konsole vor. Am ersten Tag der E3 1996 präsentierte Nintendo den Nintendo 64 einem gespannten Publikum und hielt sich dabei an den ursprünglich verkündeten Startpreis von 249 Dollar – 50 Dollar weniger als die PlayStation. Es schien, als würde Nintendos Plan, dank der Entscheidung für Cartridges eine preisgünstigere Konsole anzubieten, aufgehen – allerdings nur für kurze Zeit.
Denn bereits am folgenden Tag der Messe schockte Sony die Branche, indem das Unternehmen den Preis der PlayStation drastisch von 299 auf 199 Dollar senkte. Diese drastische Preissenkung überraschte alle, einschließlich Nintendo, und stellte deren Preisstrategie völlig auf den Kopf. Experten hatten zu Beginn des Jahres die Produktionskosten einer PlayStation noch auf 280 Dollar geschätzt, was den erheblichen Preissturz unvorhersehbar machte.
Noch bevor der Nintendo 64 global in den Verkauf gehen konnte, war einer der Hauptgründe für Nintendos Entscheidung für Module hinfällig geworden. Nintendo sah sich gezwungen, den Startpreis des N64 auf den neuen, niedrigeren Preis der PlayStation anzupassen und setzte ihn auf 199 Dollar fest.

Wie konnte Sony den Preis so stark senken? Einerseits war die PlayStation bereits im zweiten Jahr auf dem Markt, wodurch ältere und damit günstigere Technologien die Produktionskosten der Konsole reduzierten. Andererseits generierte Sony erhebliche Lizenz-Einnahmen aus den Verkäufen der Spiele. Nach dem Launch in Nordamerika konnte die PlayStation zunehmend Marktanteile gegenüber dem Saturn von Sega gewinnen.
Sega wurde besonders hart getroffen. Um im Wettbewerb mit der PlayStation bestehen zu können, sah sich Sega gezwungen, den Preis ebenso zu senken. Zusätzlich waren die Produktionskosten pro Einheit höher als bei der PlayStation, und im Gegensatz zu Sony konnte Sega nicht auf ähnlich hohe Lizenz-Einnahmen zurückgreifen. Im Vergleich zu dem finanzstarken Nintendo und dem Elektronikriesen Sony verfügte das finanziell angeschlagene Sega über keine ausreichenden Reserven. Kurz gesagt, die Situation für Sega und den Saturn wurde zunehmend prekär.
Ein harter Start in Europa: N64-Launch 1997
Als der Nintendo 64 nach mehreren Verzögerungen am 1. März 1997 in Europa auf den Markt kam, kostete die Konsole in Deutschland 399 DM, entsprechend den 199 Dollar des US-Startpreises. Genau zu diesem Zeitpunkt startete Sony einen aggressiven Preiscoup und senkte den Preis der PlayStation weltweit um etwa ein Viertel, was in Deutschland eine Reduktion von 399 DM auf 299 DM bedeutete.
Diese Preissenkung setzte Nintendo unter Druck und stellte das Unternehmen vor eine schwierige Entscheidung: den Preis hochhalten und Kunden verlieren oder den Preis senken und die treuesten Anhänger verärgern. Nintendo entschied sich letztlich dafür, den Preis auf 299 DM zu senken, um mit Sony gleichzuziehen, weniger als acht Wochen nach der Veröffentlichung des N64. Kurz nach dieser Anpassung kündigte Nintendo auch in den USA eine Preissenkung an, um den Preis der PlayStation anzupassen, der dort auf 149 Dollar reduziert wurde.

Kein Problem mit Raubkopien bei N64-Spielen
Ein entscheidender Grund für Nintendos Wahl der Cartridge-Technologie war der Schutz vor massenhaften Raubkopien seiner Spiele. Diese Strategie erwies sich als erfolgreich, da es zu dieser Zeit kaum nennenswerte Piraterie bei Nintendo-Software gab. Im Gegensatz dazu stand Sony vor Herausforderungen: Durch den einfachen Einbau eines preiswerten Chips konnten auf der PlayStation gebrannte CDs abgespielt werden, sehr zum Ärger von Sony.
Aus der Perspektive der Spielenden jedoch bot dies einen Vorteil der PlayStation: Spieler konnten zu geringeren Kosten an neue Spiele gelangen, eine Möglichkeit, die bei Nintendo nicht bestand. Inwieweit dieser Faktor Kaufentscheidungen beeinflusst hat, ist schwer zu quantifizieren.
Neuerscheinungen oft 25 Dollar / 50 DM teurer
Spieler, die nach neuen Titeln für ihren N64 suchten, stellten fest, dass diese Spiele erheblich teurer waren als vergleichbare PlayStation-Spiele im Handel – und das, ohne dass Nintendo einen entsprechenden Preisvorteil bei der Konsole bieten konnte.
Die meisten Neuerscheinungen auf der PlayStation waren für rund 50 Dollar/100 Mark erhältlich, während neue Spiele für das Nintendo 64 oft um die 70 Dollar kosteten, in Deutschland sogar zwischen 130 und 150 DM.
Die hohen Kosten der Module sowie die Lizenzgebühren machten insbesondere Third-Party-Spiele auf dem N64 teurer. Beispiele hierfür sind “Turok” (1997) von Acclaim, das für 80 Dollar/160 DM verkauft wurde, und “Conker’s Bad Fur Day” (2001), veröffentlicht von THQ in Europa, das aufgrund der teuren 64-MB-Cartridge sogar 180 DM kostete – inflationsbereinigt entspricht das heute fast 120 Euro.
Einige der erfolgreicheren Titel wurden später unter dem Label „Player’s Choice“ zu reduzierten Preisen neu aufgelegt und kosteten dann etwa 40 Dollar/70 DM. Doch auch hier bot Sonys Pendant, die Platinum-Reihe, die Spiele zu noch günstigeren Preisen an: nur 25 Dollar/50 DM.
Die begrenzte Spielauswahl durch mangelnde Unterstützung von Drittanbietern
Obwohl Nintendo auf dem N64 beeindruckende Spiele veröffentlichte, fehlte es der Konsole an einer breiten Unterstützung durch Drittanbieter. Titel wie “Super Mario 64” und “The Legend of Zelda: Ocarina of Time” sind bis heute ikonisch und werden als einige der besten Spiele aller Zeiten gefeiert. Rare trug mit “GoldenEye” maßgeblich zur Revolution der Konsolen-Shooter bei. Nintendo lancierte zudem drei bis heute beliebte Spielreihen: “Paper Mario”, “Smash Bros.” und “Mario Party”. Weitere Hits wie “Lylat Wars”, “Banjo-Kazooie”, “Diddy Kong Racing”, “Mario Kart 64”, “Perfect Dark” und “Conker’s Bad Fur Day” zeigten die Stärke von Nintendos Partnerschaft mit dem Second-Party-Studio Rare.
Dieses solide Fundament konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der N64 in puncto Spielauswahl nicht mit der PlayStation mithalten konnte. Der Mangel an neuen Titeln von Drittanbietern führte dazu, dass die PlayStation eine wesentlich umfangreichere Bibliothek bot, was sie für viele Konsumenten attraktiver machte. Bei der Markteinführung in Nordamerika beschränkte sich die Auswahl neben “Super Mario 64” lediglich auf “Pilotwings 64”. In Europa war das Angebot im Frühjahr 1997 ähnlich begrenzt, mit nur “Star Wars: Shadows of the Empire” als weiterer nennenswerter Neuzugang neben den genannten Spielen.
Letztendlich kamen nur 389 Spiele für das Nintendo 64 auf den Markt, von denen 242 in der PAL-Region verfügbar waren, zu der auch Deutschland gehört. Bis heute stellt dies die kleinste Spielebibliothek einer Nintendo-Heimkonsole dar. Zum Vergleich: Eine unvollständige Liste auf Wikipedia zählt 2.850 Spiele für die erste PlayStation – also mehr als 2.500 Spiele mehr als für das N64. Auf jedes veröffentlichte Spiel für das N64 kommen somit mehr als sieben Titel für Sonys Konsole. Dies war in großem Maße eine direkte Folge von Nintendos Entscheidung für Cartridges, wie bereits im Abschnitt über die Entwickler dargestellt wurde.
In der Spielebibliothek des N64 fanden Videospielerinnen und Videospieler kaum Rollenspiele (RPGs), da Titel wie Final Fantasy und Dragon’s Quest fortan auf der PlayStation erschienen. Dies war besonders für den RPG-begeisterten japanischen Markt problematisch und trug dazu bei, dass das N64 dort noch schlechter abschnitt als Segas Saturn.
Die Cartridge als Ursache für Nintendos Schwierigkeiten?
Obwohl Sony trotz der anfänglichen höheren Kosten für das CD-Laufwerk schon im zweiten Verkaufsjahr eine preislich attraktive Konsole anbieten konnte und den Markt in Bezug auf die Preisgestaltung dominierte, führte die CD-ROM-Technologie dazu, dass viele Entwickler und Publisher Sonys Plattform bevorzugten. Dies resultierte in einer beispiellosen Spieleauswahl für die PlayStation, die schließlich mit einem Verkaufsverhältnis von etwa 102 zu 33 Millionen zu ihren Gunsten abschloss. War also die Entscheidung für Cartridges der alleinige Fehlschlag für das N64?
Die Antwort ist ein klares Nein. Der Misserfolg des Sega Saturn, der trotz des Einsatzes von CDs nur auf etwa 10 Millionen verkaufte Einheiten kam, zeigt, dass das Speichermedium alleine noch keinen Erfolg garantiert. Zudem hätte ein hypothetisches CD-basiertes N64 aufgrund höherer Produktionskosten vermutlich mit einem Startpreis von mindestens 350 Dollar bzw. 700 DM auf den Markt kommen müssen, was der PlayStation einen dauerhaften Preisvorteil verschafft hätte.
Allerdings waren es auch Nintendos eigene Entscheidungen, die einige Nachteile der Cartridge-Strategie verstärkten. Hätte Nintendo sein Versprechen gehalten und das N64 weltweit im Herbst 1995 eingeführt, hätte die Konsole zwar teurere Spiele gehabt, wäre aber im Gerätepreis günstiger gewesen. Stattdessen kamen aufgrund der Verschiebungen nur die höheren Spielepreise bei den Verbrauchern an. Diese Verzögerungen ermöglichten es Sony, ungeduldige Käufer zu gewinnen und mehr Entwickler für sich zu gewinnen, als der Erfolg der PlayStation offensichtlich wurde.